Das Dicke-Bücher-Camp der lieben Marina (Nordbreze und so) geht in die zweite Runde. Der Juli und August gehört wieder den dicken Büchern. Da auch ich mich ganz gerne vor den Schwergewichten drücke, bin ich wieder dabei. Vier Bücher habe ich mir dafür auf die Agenda geschrieben. Knapp 3.500 Seiten warten auf mich. Die werde ich zwar unmöglich in nur zwei Monaten schaffen, aber was solls!? Getreu dem Motto „Dabei sein ist alles“ fang ich einfach an und schau, wie weit ich komme. Vielleicht habe ich ja so einen Spaß daran, dass ich in eine Verlängerung gehe.
So unwahrscheinlich ist das gar nicht einmal. Eigentlich waren mir die dicken Bücher nämlich schon immer die liebsten. Mein ständig wachsender Stapel ungelesener Bücher und die unsägliche Goodreads-Lesechallenge sorgen aber dafür, dass ich dann doch lieber zu Büchern mit 250 bis 300 Seiten greife. Die habe ich schneller durch und schaffe mehr innerhalb eines Monats. (Idiotisch, ich weiß.)
Meine Leseliste
Für den Camp-Start habe ich „GRM: Brainfuck“ von Sibylle Berg herausgesucht, mit dem ich bereits vor ein paar Tagen angefangen habe. Das Buch hat relativ entspannte 629 Seiten und eignet sich daher bestens zum Warmwerden. Obwohl man an dem Buch aktuell kaum vorbeikommt, habe ich mich erst vor zwei Wochen einen ersten Blick auf den Inhalt geworfen. Meine anfängliche Missachtung resultierte daher, dass ich Sibylle Berg mit Ellen Berg verwechselte, was mir jetzt sehr peinlich ist. Mit letzterer habe ich keine guten Erfahrungen gemacht, so dass ich mich nicht mit ihren weiteren Büchern (bzw. denen, die ich für ihre hielt) beschäftigte. Ein Besuch in meiner örtlichen Buchhandlung sorgte für Aufklärung.
Danach plane ich „4 3 2 1“ von Paul Auster zu lesen. Das ist zwar ein Mann und dürfte meine „Frauenquote“ etwas drücken, weil ich in den knapp 1.200 Seiten gleich mehrere (weniger umfangreiche) Bücher von Autorinnen lesen könnte. Das Buch steht aber sowieso für dieses Jahr auf meiner Bücherliste. Also warum nicht das Dicke-Bücher-Camp als Motivationsschub nutzen?!
Wenn ich dann noch Zeit habe (*hysterisches Lachen*) mache ich mit „Epilog mit Enten“ von Sabine Friedrich weiter. Das Buch ist mir beim gleichen Buchhandlungsbesuch, bei dem ich auch mein Berg-Missverständnis aufklären konnte, in die Hände gefallen. Es ist schon älter und stand bislang nicht auf meiner Leseliste. Ich fand den Klappentext und den ersten Seiten aber so zauberhaft, dass ich es einfach mitnehmen musste. Damit es nicht auch wieder das traurige, unbeachtete Dasein aller anderen dicken Bücher in meinem Regal führen muss, kommt es direkt auf die Dicke-Bücher-Camp-Leseliste.
Zum guten Abschluss gönne ich mir dann noch einen meiner Lieblingsautoren: Stephen King. Ich werde „The Stand. Das letzte Gefecht“ eine zweite Chance geben. Irgendwann habe ich schon einmal das Hörbuch angefangen, kam aber nicht weit. Vielleicht war es das falsche Medium, denn ich höre nur unregelmäßig und insgesamt seltener als ich lese. Bei einem so ausufernden Werk sind das natürlich schlechte Voraussetzungen. Mein Plan ist es, die Lektüre dadurch zu beschleunigen, dass ich zwischen Hör- und Papierbuch wechsele, anstatt wie üblich jeweils zwei verschiedene Titel zu wählen. Ich bin gespannt, wie das klappt.
Buchempfehlungen
Für alle, die nun auch gerne Camp-Teilnehmerin werden möchten, aber noch nicht das passende Buch gefunden haben, habe ich ein paar meiner Lieblingsbücher von Autorinnen mit 500+ Seiten herausgesucht.
In „Ehre“ lässt Elif Shafak ihre Leserinnen tief in eine fremde Kultur blicken. Ihr gelingt es, das Thema Ehrenmord so darzustellen, dass es auch für Westeuropäer verständlich wird. Durch das geschickte Verweben von unterschiedlichen Zeitsträngen, Handlungsebenen und Erzählperspektiven entsteht ein kluger und komplexer Roman, der die Hintergründe, Einflüsse und Denkmuster, die zu so einer Tat führen, aufzeigt, ohne bestimmte Personen per se als schlecht oder böse zu verurteilen. Mich hat dieser spannende Familienroman nicht mehr losgelassen. Die knapp 500 Seiten, für die ich sonst rund 10 Tage brauche, hatte ich innerhalb einer Woche gelesen.
Mit „Americanah“ legt Chimamanda Ngozi Adichie einen vielschichtigen, manchmal recht unbequemen Auswandererroman vor. Auch wenn ich mir zunächst schwer damit tat, einen Zugang zum Buch zu finden, möchte ich diese Leseerfahrung im Nachhinein nicht missen. Adichies Roman nimmt sich einer hochaktuellen, wichtigen Thematik an, indem er sehr eindrücklich die Erfahrungen einer jungen Nigerianerin bei ihrer Auswanderung in die USA schildert. Selten wurde der in Amerika noch immer existierende (versteckte) Rassismus so eindrucksvoll und authentisch geschildert wie in „Americanah“. Geschickt hält Adichie ihren Leserinnen einen Spiegel vor und lässt sie so über die eigenen Vorurteile reflektieren. Dies ist weiß Gott nicht immer angenehm und führte bei mir zunächst zu einer gewissen Ablehnung; insgesamt war es jedoch eine sehr lehrreiche und wertvolle Erfahrung.
„Die Gestirne“ von Eleanor Catton mit einer spannenden, meisterhaft erzählten Handlung, in der es auch nicht an einer Prise Humor fehlt. Häppchenweise serviert Catton einzelne Lösungsbausteine, die ihrerseits wieder neue Fragen aufwerfen. Auch mit den ausführlich dargestellten, komplexen Charakteren beweist sie ihr erzählerisches Können. Diese lässt sie immer wieder andere Wege gehen und neue Seiten zeigen, als man es erwartet. So entstehen immer wieder verblüffende, spannende Wendungen, die es schwermachen, das Buch aus der Hand zulegen. Durch den auktorialen Erzähler, der die Leserinnen direkt anspricht und einbezieht, und die gelungene Wortwahl versetzt Catton ihre Leserinnen auch sprachlich in das 19. Jahrhundert, in dem „Die Gestirne“ spielt.
„Binewskis – Verfall einer radioaktiven Familie“ von Katherine Dunn ist definitiv eine Kategorie für sich. Es ist brutal, boshaft, gewalttätig und verstörend, aber kein Horrorbuch. Dunn beschäftigt sich in ihrem Debut damit, was Schönheit, Normalität und Perfektion wirklich ausmacht, und wie eine Person entweder zum Teil einer Gruppe oder zum Außenseiter wird. Aber es ist nicht so politisch korrekt und intellektuell wie die übichen gesellschaftskritischen Bücher. In „Binewskis – Verfall einer radioaktiven Familie“ wird der dramatische Untergang einer besonders skurrilen (Zirkus-)Familie erzählt, aber es ist keineswegs so klassisch wie eine Tragikomödie oder ein Familienroman. Ich kann nicht genau sagen, ob es nun eher die Faszination des Ekels oder die Geschichte über Geschwisterliebe, -rivalität und den Kampf um die Anerkennung der Eltern war, die mich nicht losließ. Es war wohl beides – und noch einiges mehr!
Zugabe
Leider erst am 30. August und damit zu spät für das Dicke-Bücher-Camp erscheint „Ich bin Circe“ von Madeline Miller. Es ist die Nacherzählung der griechischen Odyssee aus der Perspektive der Göttin Circe. In den USA war es schon im letzten Jahr ein Bestseller und wurde von verschiedenen Medien zum Buch des Jahres gewählt. Die Filmrechte sind ebenfalls bereits verkauft. Es ist eines der ersten Bücher aus dem Herbstvorschauen der Verlage, das auf meine Leseliste wanderte.