Frauenleserin Rezension

Klassentreffen in Hogwarts

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Als Anfang des Jahres bekannt wurde, dass das Drehbuch zum Harry Potter-Theaterstück parallel zur Uraufführung in London veröffentlicht werden soll, war ich begeistert. Selbst die anfängliche Enttäuschung darüber, dass es sich nicht um einen “richtigen“ neuen Roman handelte, währte nur kurz. Ein neuer Harry Potter ist schließlich ein neuer Harry Potter! Ich habe das gute Stück also vorbestellt. In Englisch und als eBook, damit ich es zum Erscheinungstermin auch auch ganz sicher sofort erhalten würde. Sogar über ein paar Tage Leseurlaub dachte ich nach.

Als es dann am 31.07. – Harry Potters Geburtstag – endlich so weit war, blieb ich extra bis nach Mitternacht wach, um das eBook als eine der ersten herunterladen zu können. Dieser Versuch scheiterte zwar, weil der Download erst ab 9:30 Uhr bereit stand, dennoch dürfte ich wohl zu den ersten gehört haben, die an diesem denkwürdigen Sonntag die Möglichkeit bekamen, den neuen Harr Potter zu lesen.

“Harry Potter and the Cursed Child” zu lesen, fühlte sich ein bisschen an, wie ein Klassentreffen zu besuchen.

Man trifft alte, zum Teil halb vergessene Bekannte, staunt, was das Leben aus allen gemacht hat und tauscht Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse aus. Nostalgische Momente dieser Art bietet „Harry Potter and the Cursed Child“ eine ganze Menge. Gleich die erste Szene spielt auf Gleis 9 ¾, wo Harry, Ginny, Ron und Hermine – nun erwachsen – ihre Kinder nach Hogwarts verabschieden. Welchem Harry Potter-Fan geht da bitte nicht das Herz auf?!

25718544_null_xlAuch sonst beweist das Autorenteam sehr viel Geschick darin, stimmungsvolle und emotionale literarische Wiedersehensmomente zu schaffen. Rowling, Thorne und Tiffany wissen genau, welche „Knöpfe“ sie bei den Potterheads drücken müssen, um diese in Verzückung geraten zu lassen. So begegnet der Leser nicht nur dem bereits im 6. Band verstorbenen Albus Dumbledore, der des Öftern in seinem magischen Porträt über Harrys Schreibtisch im Zaubereiministerium auftaucht. Da diese Story auf einer klassischen Zeitreisegeschichte basiert, darf sich der Leser außerdem auf ein neues Treffen mit Severius Snape (eigentlich ebenfalls längst tot), Haggrid, Dolores Umbridge, Neville Longbottom und einigen anderen freuen. Und natürlich reisen wir gleich mehrmals zurück in die Zeit von Harrys unfreiwilliger Teilnahme am Trimagischen Turnier. (Ein Schelm ist, wer böses dabei denkt, dass „Harry Potter und der Feuerkelch“, in dem von diesem Abenteuer erzählt wird, einer der beliebtesten Harry Potter-Bände war und ist – nicht nur von mir.)

Gerade für Fans wie mich gibt es also viele Gründe, „Harry Potter and the Cursed Child“ zu bejubeln.

Irgendwo am Ende des ersten Teils schwächte sich mein bis dahin so seliges Grinsen dann aber doch ab und wich schließlich einem leicht enttäuschten Seufzen.

Vom achten Band hatte ich mir mehr versprochen, als eine klassische Zeitreisegeschichte, in der Harry Potters jüngster Sohn in die Vergangenheit reist, um Cedric Diggorys Tod während des Trimagischen Turniers zu verhindern, und in eine grundlegend veränderte Gegenwart (Harry ist tot, die Todesser an der Macht) zurückkehrt, die dann durch weitere Zeitreisen korrigieren werden muss. Auch der kurz darauf folgende Plottwist am Anfang des zweiten Teils konnte nicht mehr verhindern, dass bei mir ein fader Beigeschmack blieb.  Die Geschichte, die im zweiten Teil aufgebaut wird, war mir viel zu groß, um auf den verbleibenden Seiten bzw. in der verbleibenden Zeit konsequent entwickelt werden zu können. Das Ende kam mir zu abrupt und fiel allzu rührselig aus und überhaupt entsprach Harry als reichlich rat- und verständnisloser Vater, der auch als Leiter der Aurorenzentrale des Zaubereiministeriums keine allzu gute Figur machte, sogar nicht meinen Vorstellungen von einem erwachsenen Helden.

Aber gehört nicht auch das zu jedem Klassentreffen dazu?! Die Verwunderung darüber, wie sehr sich die ehemaligen Klassenkameraden zu ihrem jeweiligen Vor- oder eben auch Nachteil entwickelten?

Besonders beeindruckt war ich ausgerechnet von Hermine und Ron, die ich bis dahin eigentlich nie wirklich als Traumpaar gesehen hatte. Hermine ist noch immer die alte: intelligent, pflichtbewusst und etwas bossy. Sie hat es – wen wundert es ernsthaft? – bis zur Ministerin für Zauberei gebracht und arbeitet noch immer eng mit Harry zusammen. Ron führt indes gemeinsam mit seinem Bruder den Scherzartikelladen in der Winkelgasse und kümmert sich um die gemeinsamen Kinder.
Diese emanzipierte Rollenverteilung gefiel mir gut, auch weil sie erstaunlich gut zu der Vorstellung passt, wie ich mir Ron und Hermine als Erwachsene verstellte. Gerade von Ron, der ja auch in der Schulzeit nie besonders ehrgeizig war, aber schon immer einen großen Familiensinn hatte, kann ich mir gut vorstellen, dass er zu Gunsten von Hermine, die ohnehin schon immer den Ton zwischen den beiden angab, beruflich zurücksteckt. Die beiden sind ein hübsches, modernes Elternpaar, das als Vorbild taugt.

Harry PotterAuch Draco Malfoy entwickelte sich nur zu seinem Vorteil. Den dunklen Künsten hat er vollkommen abgeschworen. Er ist nun ein fürsorglicher alleinerziehender Dad, dem vor allem die fiesen Gerüchte um die (wahre) Abstammung seines Sohne Scorpius, von dem manche behaupten, er sei in Wahrheit der Sohn Voldemorts, zu schaffen machen. Wow! Wer hätte das gedacht?!

Und so habe ich “Harry Potter and the Cursed Child” wie die meisten Klassentreffen mit gemischten Gefühlen verlassen. Natürlich war es toll, nach so langer so viele Bekannte wiederzusehen. Zu erfahren, was aus ihnen geworden ist, war sehr interessant- vor allem da es so viele Überraschungen gab. Für eine Weile war es schön, in gemeinsamen alten Erinnerungen zu schwelgen. Aber irgendwann kommt dann eben doch der Punkt, an dem man einsehen muss, dass auch man selbst sich weiterentwickelt hat und die tatsächlichen Berührungspunkte in der Gegenwart kaum mehr vorhanden sind. Trotzdem wäre ich jederzeit wieder dabei – bei einem nächsten Klassentreffen in Hogwarts.

Bewertung: ♥♥♥ lesenswert

Titel: Harry Potter and the Cursed Child ♦ Autoren: Joanne K. Rowling, John Tiffany, Jack Thorne ♦ Format: eBook ♦ Umfang: 240 Seiten ♦ Verlag: Little, Brown ♦ ISBN: 978-1-78110-694-5 ♦ Preis: 14,99

Übrigens hat sich die Tatsache, dass es ein Skript und kein vollwertiger Roman ist, für mich als positiv herausgestellt. Durch die Dialogform, die mich als Hörbuchhörerin nicht im geringsten störte, ist das Drehbuch in sehr einfachem englisch gehalten, dass sich schnell lesen lässt. In nur 2 Tagen hatte ich es beendet.

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2 Kommentare

  1. Haaaach, ich hadere ja noch immer mit mir. Aber ich schätze, am Ende wir meine Neugierde doch wieder siegen und ich werden den 8. Band trotzdem lesen. Vielen Dank für deine schöne und ehrliche Rezension.

    Liebe Grüße
    Britta

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