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“Dämmerung über Birma. Mein Leben als Shan-Prinzessin” von Inge Sargent

Kommentare 2

Dieser Rezension möchte ich eine Warnung vorweg schicken: Auf den Besitz dieser Autobiografie stehen 17 Jahre Gefängnis!
Nicht bei uns. Gottseidank! Aber in Myanmar, dem ehemaligen Birma, in dem diese Autobiografie spielt.

Es ist die wahre Geschichte einer jungen Österreicherin, die sich in den herrschenden Shan-Prinzen von Birma verliebt und mit ihm in dessen Heimat ein vollkommen neues Leben beginnt. Frei von jedem zu erwartenden Cinderella-Kitsch erzählt Inge Sargent ein Stück birmesische Geschichte.

Worum geht es?

Anfang der 50er Jahre verliebt sich die junge Österreicherin Inge Sargent, während ihres Studiums in den USA, in den angehenden birmesischen Bergbauingenieur Sao Kya Seng. Das Paar heiratet und zieht 1953 nach Birma. Erst dort erfährt Inga, dass ihr Ehemann Prinz eins birmesischen Bergstaats und Oberhaupt der Shan ist. Vollkommen unvorbereitet ist sie plötzlich Teil der fürstlichen Familie mit Repräsentationspflichten in einem Land, dessen Kultur und Gebräuche ihr gänzlich fremd sind. Aber so richtig schwierig wird es für Inge erst, als ihr Mann während eines Militärputschs 1962 verschleppt wird, und sie mir ihren beiden Töchtern in einer politisch höchst angespannten und undurchsichtigen Situation alleine dasteht.

Wie fand ich…

…den Einstieg?

Inge Sargent nimmt gleich im ersten Kapitel einen Teil des dramatischen Ausgangs des Buchs vorweg, in dem sie über ihren Hausarrest nach dem Militärputsch und ihre Angst um ihren Mann berichtet. Da ich nur sehr wenig über die politischen Verhältnisse und die Geschichte Birmas weiß, fiel mir dieser Sprung ins kalte Wasser nicht sehr leicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich in der Geschichte einigermaßen zu Recht fand. Die Karten von Birma und die Shan-Staaten halfen dabei genau wie das Vorwort von Bertil Lindner, das die wesentlichen politischen Ereignisse jener Jahre, in denen „Dämmerung über Birma“ spielt, beschreibt. Auch das Personenverzeichnis fand ich hilfreich, um die vielen für Mitteleuropäer doch sehr ungewohnten Namen auseinander halten zu können. Auch dass Inge Sargent nur unter ihrem birmanischen Name Thusandi sowie ihrem Titel „Mahadevi“ angesprochen wird, machte mir den Einstieg nicht eben leicht.

…den Handlungsverlauf?

Nach diesem kurzen inhaltlichen und zeitlichen Vorgriff führt Inge Sargent glücklicherweise chronologisch durch die Handlung. Dabei beginnt sie damit, wie sie Sao während ihres Studiums in den USA kennenlernte. Hier wurde es für mich dann auch endlich einfacher, in die eigentliche Geschichte hineinzufinden.
Unterbrochen wird der Handlungsstrang immer wieder durch Schilderungen der Situation auf dem Familienanwesen während des Hausarrests sowie den Verhältnissen während Saos Gefangenschaft. Im letzten Drittel des Buchs laufen diese Handlungsstränge schließlich zu einem einzigen zusammen. Nun erfährt der Leser, wie Inge Sargent zusammen mit ihren beiden Töchtern die Flucht aus Birma gelang.
Mir gefiel dieser geschickte, sehr romanhafte Aufbau des Buchs gut. Da es sich um eine Autobiografie handelt, hatte ich nicht mit so einem komplexen Handlungsgeflecht gerechnet.

Gerade sehr persönliche Ereignisse werden jedoch nicht oder nur beiläufig erzählt. So erfährt man beispielsweise nahezu gar nichts über die Geburten der beiden Töchter und den Verlauf der Schwangerschaften. Dass die Mädchen irgendwann einfach da sind, fand ich befremdlich.

…die Erzählperspektive?

Auch an der Erzählperspektive erkennt man nicht sofort, dass man eine Autobiografie in Händen hält. Inge Sargent schreibt in der dritten Person über sich selbst. So blieb bis zum Schluss leider eine gewisse Distanz zur Protagonistin bestehen. An einigen Stellen wirken die Beschreibungen seltsam oberflächlich, nüchtern und bisweilen etwas hölzern. Wirkliche Innenansichten sind leider nicht zu finden, so dass ich mir als Leserin meist ausgeschlossen vorkam. Selbst als die jung verheiratete Inge Sargent während ihrer Ankunft in Birma erstmals von der besonderen Rolle der Familie ihres Mannes erfährt, liest man kein Wort der Verunsicherung, des Unwohlseins oder Disharmonie zwischen dem Paar.

Auch kritische Auseinandersetzungen mit den Verhältnissen in Birma findet man nicht. Einige Stellen waren mir zu sehr romantisch verklärt und schöngefärbt. Hier merkte ich schließlich doch noch, dass es die Lebenserinnerungen der Autorin waren, die ich las. Beispielsweise schreibt Inge Sargent über eine halbwilde Elefantenfamilie, die als Arbeitstiere eingesetzt werden. Die Elefantenführer misshandeln die Tiere, indem sie diese mit schweren Eisenhaken traktieren und ihnen so ihren Willen aufzwingen. Doch während mir diese Szene im Herzen weh tat, hinterfragte Inge Sargent sie leider überhaupt nicht.

…den Schluss?

Das Buch endet mit Inge „Thusandi“ Sargents Ausreise aus Birma. Hier sprang doch noch zumindest ein kleiner Funken über und konnte sowohl die Erleichterung als auch die Zukunftsängste, die damit verbunden waren, nachempfinden. Leider zog sich der Weg, bis es endlich soweit war, zu sehr in die Länge. Immer wieder musste ich lesen, wie Verwandte und Bekannte Inge „Thusandi“ Sargent zur Ausreise rieten, und wie diese die eigentliche Gefahr, in der sie mit ihren Töchtern schwebte, jedoch nicht wahrhaben wollte. Hier war irgendwann doch etwas genervt, wie sehr die Handlung plötzlich auf der Stelle trat.

Wie hoch ist der „starke Frauen“-Faktor?

Von einer so schier unglaublichen, wahren Lebensgeschichte wie sie in „Dämmerung über Birma“ erzählt wird, hatte ich mir in Bezug auf starke Frauen doch so einiges versprochen. Was ich tatsächlich vorgefunden habe, enttäuschte mich dann doch leider etwas. Der sehr nüchterne Erzählstil gibt so gut wie keine Einblicke in das Innenleben der Protagonistin. Auch werden große Teile des privaten Lebens gänzlich ausgeblendet. Insgesamt stellt sich Inge „Thusandi“ Sargent als angepasste, verständnisvolle, einfühlsame und engagierte Frau dar. Sie spricht fließend Birmesisch, besteht auf eine traditionelle birmanische Ehe- und Krönungszeremonie und nutzt ihr Ansehen als Ehefrau des herrschenden Shan-Prinzen, um sich für Kinder sowie werdende und junge Mütter einzusetzen. Auch in der größten Krise ihres (Ehe-)Lebens, als ihr Mann verschleppt und sie mit ihren Kindern unter Hausarrest steht, bewahrt sie Größe. Auch wenn Inge „Thusandi“ Sargent insgesamt eher passiv, angepasst und reagierend zu sein scheint, liegt darin, wie gefasst und würdevoll sie ihr Lebensschicksal erträgt, letztlich wohl ihre eigentliche Stärke.

Gesamtbewertung: ♥♥♥ lesenswert

Titel: Dämmerung über Birma. Mein Leben als Shan-Prinzessin ♦ Autorin: Inge Sargent ♦ Übersetzung: Cecile Lecaux ♦ Verlag: Unionsverlag ♦ Format: Taschenbuch ♦ Umfang: 288 Seiten ♦ ISBN: 978-3-293-20723-3 ♦ Preis: 12,95€

Das Buch ist für 7,99 € auch als eBook (ePub/Kindle und Apple-Geräte) erhältlich.

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2 Kommentare

  1. Servus liebe Kerstin,
    Mit Spannung habe ich Deine Rezension gelesen und es mir ala nächste Lektüre überlegt. Aber es scheint, dass die Autorin nur sehr wenig oder oberflächlich auf die Verhältnisse in Burma eingeht… Und genau darüber mehr zu lesen würde mich sehr interessieren. Ich war bereits 2x dort und finde das Land und seine Menschen wunderschön und faszinierend. Absolut arm und doch unglaublich freundlich und ehrlich. Großartige Kultur.

    Jetzt bin ich hin und her gerissen das Buch zu lesen 😉
    Übrigens zum Thema Starke Frauen – habe gerade die Biografie von Lynsey Addario beendet (Jeder Moment ist Ewigkeit): Wahnsinn! Würde Dir bestimmt auch gefallen. Schreibe meine Rezi nächste Woche.

    LG, Kati

    • Kerstin Scheuer sagt am 30. März 2016

      Hallo Kati,
      das ist ja spannend, dass Du schon 2 Mal in Myanmar warst. Wenn Du tatsächlich mehr über die Geschichte Birmas und vor allem das erstaunlich fortschrittliche Leben vor dem Militärputsch lesen willst, ist diese Buch gar nicht so verkehrt, denke ich. Mir waren darin nur zu wenige Innenansichten und Emotionen enthalten. Wenn man bedenkt, dass Inge Sargent vollkommen unvorbereitet in dieses fremde Land und ihre neue Pflichten geworfen wird, hätte ich erwartet, dass sie zumindest am Anfang hadert, Ängste hat usw. Davon liest man aber leider gar nichts. Sargent gibt sich in diesen Dinge recht zugeknöpft.
      Über die Kultur, die Politik und die Geschichte bekommt man aber so einiges mit.

      Danke für den Buchtipp. Das schaue ich mir später gerne mal an.

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