In vielen deutschen Bundesländern enden dieser Tage die Sommerferien. Einige Schüler:innen sind bereits zurück an den Schulen. Dort werden sie laut der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2019“ zu 67% von Frauen betreut. In unseren europäischen Nachbarländern sieht das nicht viel anders aus. Der Lehrberuf ist (heute) ein klassischer Frauenberuf. Dies war jedoch keineswegs immer so. Wie überall, wo Frauen in bisherige Männerdomänen vordringen, stießen auch die ersten Lehrerinnen am Ende des 19. Jahrhunderts auf zahlreiche Schikanen und Widerständen. Durch ihren Kampf um gleiche Berufsbedingungen wurden sie zu Vorreiterinnen der Frauenbewegung.
Gehen wir gedanklich 150 bis 200 Jahre zurück. Es ist die Zeit der Industrialisierung. Jane Austen und die Bronte-Schwestern haben in Groß-Britannien bereits erfolgreiche Romane veröffentlicht und in Deutschland hat Marie von Ebner-Eschenbach erste literarische Erfolge. Möglich wurde dies nur deshalb, weil Frauen erstmals Zugang zu Bildung erhielten. Allerdings ist sie ein Luxus, den sich in der Regel nur die gut betuchte bürgerliche Schicht leisten kann. Für sie bedeutet Bildung vor allem finanzielle Unabhängigkeit. Statt auf eine „gute Partie“ zu hoffen, können sie nun selbst Geld verdienen. Zwar benötigen sie für eine Reihe von Berufen (z.B. Ärztin und Anwältin) eine Ausnahmegenehmigung, aber zumindest der Beruf der Lehrerin steht ihnen uneingeschränkt offen. Immerhin!
Aber setzt die nervöse weibliche Psyche dem ganzen nicht eine natürliche Grenze? Und ist eine Frau überhaupt der Doppelbelastung durch den Lehrerinnenberuf und ihre häuslichen Pflichten gewachsen? Oder anders gesagt: kann sie es trotz ihrer von Natur aus labilen Psyche schaffen, den Schulalltag vollumfänglich und gewissenhaft zu meistern und gleichzeitig den Mann abends zusammen mit ihren wohlerzogenen Kindern adrett gekleidet und in einer erfrischend heiteren Stimmung an einem gedeckten Esstisch in einem perfekt aufgeräumten und sauberen Haus zu begrüßen?
Wohl kaum! Dafür ist das schwache Geschlecht einfach nicht gemacht! Mal ganz davon abgesehen, dass Mütter auch noch häufiger ausfallen. Zu ihrem eigenen besten sollte man sie besser zu einer klaren Entscheidung zwingen- entweder Lehrerin oder Ehefrau (und Mutter)!
So geschehen während des deutschen Kaiserreichs im Jahr 1880. Wie allen Beamtinnen wurde auch den Lehrerinnen per Ministererlass verboten, zu heiraten (so genanntes „Beamtinnen- bzw. Lehrerinnen-Zölibat“). Mit der Eheschließung verloren sie nicht nur ihre Arbeitsstellen, sondern auch gleich ihren Anspruch auf ein Ruhegehalt.
Aber mal ehrlich: was war daran schon so schlimm?! Schließlich hatten sie dann ja auch einen Mann, der sie versorgte und so aus der peinlichen Notlage, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu müssen, befreite. Fortan konnten sie ganz in ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau aufgehen, ohne sich mit finanziellen Dingen belasten zu müssen. Welche Frau wünscht sich das nicht?!
Die Meinungen der Frauenbewegung gingen auseinander. Einigen sahen gerade in der Entscheidung für den Beruf und damit gegen die Ehe einen emanzipatorischen Akt. Der Verein katholischer deutscher Lehrerinnen pries das Lehrerinnenzölibat und erklärte, so entginge die Frau der Fremdbestimmung durch einen Mann.
Aber es gab auch kritische Stimmen. Sie waren der Ansicht, dass ein Leben in Enthaltsamkeit ungesund sei. Außerdem wollten sie selbst entscheiden, ob sie nach der Heirat ihren Beruf aufgeben oder nicht. Einige Beamtinnen, die bereits bei Einführung des Zölibats im Staatsdienst standen und keine entsprechende Klausel in ihrer Einstellungsurkunde hatten, zogen sogar vor Gericht, wo sie in einigen Fällen Entschädigungszahlungen zugesprochen bekamen.
Pfft! Lächerlich!
Während des Ersten Weltkriegs wurden die Zeiten für die Lehrerinnen tatsächlich etwas besser. Da alle Männer an der Front waren, kam es zu einem Lehrermangel und man nahm das Zölibat nicht mehr so genau.
Aber das schützte Lehrerinnen natürlich nicht davor, nervöse Leiden und hysterische Zustände attestiert zu bekommen. Und das natürlich von Männern, denn – wir erinnern uns – Frauen durften ja gar nicht Ärztin werden. Wer nur dienstunfähig geschrieben wurde, hatte noch Glück. Nicht wenige Lehrerinnen landeten in kaiserlichen Nervenheilanstalten, wo sie schlicht weggeschlossen wurden.
Wer nicht hören will, …
Mit dem Beginn der Weimarer Republik kam dann endlich auch das Ende des Beamtinnenzölibats. Auf Antrag der SPD und mit der Zustimmung von DDP, DVP & USPD wurde in Artikel 128 Abs. 3 der Weimarer Verfassung folgendes aufgenommen: „Alle Ausnahmebestimmungen für weibliche Beamte werden beseitigt.“
Aber der Arbeitsmarkt war für Männer doch gerade so kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs auch ohne weibliche Konkurrenz schon hart genug! Schließlich waren ja nahezu alle ehemaligen Frontsoldaten auf der Suche nach Arbeit.
Tatsächlich existierte die verfassungsrechtlich zugesicherte Gleichstellung von Frauen und Männern im Staatsdienst auch nur auf dem Papier. Da die Gesetze nicht entsprechend angepasst wurden, wurden Lehrerinnen weiter nach ihrer Heirat entlassen.
Als Deutschland schließlich in eine Inflation geriet und die Arbeitsplätze knapp wurden, erlaubte eine Personalabbauverordnung in 1923 schließlich wieder ganz offiziell die Entlassung von Beamtinnen. Für unverheiratete Lehrerinnen gab es außerdem eine „Ledigensteuer“, dank der sie 10% ihres Einkommens abgezogen bekamen. Dass dieses sowieso bis zu 30% unter dem ihrer männlichen Kollegen lag, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.
Naja, aber diese Probleme lassen sich doch leicht lösen. Sollen sie doch einfach heiraten. Dann müssen sie auch keine Ledigensteuer bezahlen! Außerdem hat es ein Mann doch auch viel schwerer. Er verdient das Geld schließlich nicht nur für sich, sondern hat auch noch eine Familie zu versorgen. Da ist es nicht mehr als recht und billig, dass er mehr verdient als eine Frau. Ob nun verheiratet oder nicht; eine Frau hat neben ihrem Beruf doch auch immer noch einen Haushalt zu führen und kann deshalb gar nicht die gleiche Leistung erbringen wie ein Mann mit einer Frau, die ihm den Rücken freihält.
Genau so sah man das lang. Im Dritten Reich wurde ohnehin das Ideal der kinderreichen Hausfrauenehe propagiert. Und auch in der BRD war es zunächst legitim, verheiratete Lehrerinnen zu entlassen. Erst 1950 wurde die Regelung etwas gelockert. Dank § 3 Nr. 10 des Bundespersonalgesetztes wurden Beamtinnen nur noch dann entlassen, wenn ihre Versorgung dauerhaft gesichert war. Und sie mussten wieder zwingend eingestellt werden, sobald sie nachträglich wegfiel.
Na, also. Wenn das mal keine fürsorgliche und großzügige Regelung ist. So braucht sich eine Frau im Staatsdienst nie Gedanken über ihre finanzielle Zukunft zu machen und kann trotzdem eine treusorgende Ehefrau und Mutter sein. Toll!
Damals fand man das dann aber doch nicht so toll. Nur ein Jahr später wurde auch das Kündigungsrecht bei Doppelverdienst abgeschafft. Trotzdem sollte es noch bis 1957 dauern, bis das Bundesverfassungsgericht eine Zölibatsklausel in Arbeitsverträgen generell für verfassungswidrig erklärte.
Die Frauen haben also schließlich doch noch ihren Willen bekommen. Jetzt hatten sie doch endlich, was sie wollten; nämlich die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie als Ehefrau arbeiten oder nicht.
Leider nein. Bis 1958 konnte der Ehemann den Arbeitsvertrag seiner Frau ohne deren Zustimmung und ohne Angabe von Gründen jederzeit fristlos kündigen. Und noch bis 1977 brauchten Verheiratete Frauen, wenn sie arbeiten wollten, die Erlaubnis ihres Manns. Dieser verwaltet lange auch den Lohn seiner Frau. Ein eigenes Bankkonto durften Frauen nämlich erst ab 1962 eröffnen. Und als geschäftsfähig wurde eine verheiratete Frau sogar erst ab 1969 angesehen. Erst da konnte sie selbst Verträge unterzeichnen.
Okay, aber das sind ja jetzt auch schon wieder mehr als 40 oder 50 Jahre her. Zwischenzeitlich ist die Gleichstellung doch schon lange erreicht. Wir haben doch sogar eine Frau als Bundeskanzlerin!
Und trotzdem sind Frauen noch immer deutlich seltener in Führungspositionen zu finden. Sie gehen häufiger in Teilzeit arbeiten, weil sie die Carearbeit meist nahezu alleine leisten. Und sie verdienen im Schnitt nicht nur weniger als männlichen Kollegen, sie sind deshalb auch häufiger von Altersarmut betroffen. Und das alles, obwohl es deutlich mehr Studentinnen als Student gibt.
Aber das ist doch alles ihre eigene Entscheidung! Niemand hindert sie daran, mehr Verantwortung im Beruf zu übernehmen oder in Vollzeit zu arbeiten. Da braucht es nur den notwendigen Ehrgeiz und Biss. Aber Frauen sind halt eher so Familienmenschen und alles kann man eben nicht haben.
Jetzt reicht es mir aber! R A U S ! ! !