Für wertvoll hält sich die 16jährige Precious nicht einmal selbst. Mit ihren Eltern lebt sie in einem verwahrlosten Haus in Harlem. Schon zum zweiten Mal ist sie von ihrem Vater schwanger, der die Familie nach Lust und Laune für mehrere Woche besucht und wieder verlässt. Von ihrer Mutter ist keine Hilfe erwarten. Ganz im Gegenteil; sie gibt Precious die Schuld an ihrer unglücklichen Ehe. Sie überlässt ihrer Tochter nicht nur den gesamten Haushalt, sondern misshandelt sie auch regelmäßig. Auch in der Schule wird sie wegen ihres starken Übergewichts und ihrer schwarzen Hautfarbe ständig gehänselt. Im Unterricht hat sie längst den Anschluss verloren. Selbst lesen und schreiben fallen ihr schwer.
Als Precious dann auch noch wegen ihrer Schwangerschaft von der Schule fliegt, scheint ihre Zukunft endgültig besiegelt. Wäre da nicht diese eine Lehrerin, die mehr in Precious erkennt, als sich diese selbst zutraut. Sie überredet sie am Alternative Schulprogramm “Lernen für Alle” teilzunehmen. Und auch die dortige Lehrerin entpuppt sich als echter Glücksgriff. Sie fördert Precious nicht nur schulisch sondern hilft ihr auch Stück für Stück in ein eigenständiges Leben mit einer Zukunftsperspektive ohne staatliche finanzielle Unterstützung.
Diese Entwicklung lässt sich auch am Text nachverfolgen. Es ist Precious selbst, die ihre Geschichte erzählt. Sie tut dies in einer Art Tagebuch. Und so erlebt man als Leserin wie sehr Precious zunächst mit den Worten ringt. Die Sätze sind kurz und bestehen meist nur aus einem Hauptsatz. Die Ausdrucksweise ist stark umgangssprachlich und sehr derbe. Und die Schreibweise ist voller Rechtschreibfehler bis hin zur Lautmalerei. Gerade zu Beginn ist “Push” daher etwas schwieriger lesbar. Dies ändert sich im Laufe der Zeit jedoch nach und nach.
Und mit Precious Sprache werden auch ihre Gedankengänge komplexer. Sie beginnt über sich selbst und ihre Situation zu reflektieren, entwickelt eigene Meinungen und Ansichten und baut Selbstvertrauen auf. Stück für Stück erkämpft sich Precious ein eigenes Leben für sich und ihr Kind. Als sie schließlich ein weiterer schwerer Schicksalsschlag trifft, stellt sie sich diesem mutig und fasst ein bisschen trotzig entgegen. Obwohl von Anfang an klar ist, dass sie ihn nicht gewinnen kann, ist Precious überzeugt, dass das Leben so wertvoll ist, dass es sich um jeden Tag zu kämpfen lohnt.
Mir hat “Push” wirklich sehr gut gefallen. Ich hatte Precious sofort ins Herz geschlossen und habe sehr mit ihr gelitten. Der Plottwist hat mich fast etwas stärker getroffen als Precious selbst. Es war schön, mitzuerleben, wie aus der schüchternen Precious, der jeder eigene Wille zu fehlen scheint, eine unabhängige Frau mit eigenen Wünschen und Hoffnungen wird.
Dass dieser Prozess so wunderbar durch die Sprache und Erzählweise des Romans transportiert wird, macht die Geschichte umso lebendiger und “Push” zu eine ganz besonderen Leseerlebnis.
♥♥♥♥♥ Lieblingsbuch
Die Verfilmung von “Precious” kann ich übrigens wirklich empfehlen:
https://www.youtube.com/watch?v=urFY3jp759c
Ich werde mir auf jeden Fall das Buch auf die Liste packen – danke für die interessante Rezension.
Liebe Grüße, Sabine
Die Verfilmung ist mir schon ein paar Mal empfohlen worden. Die wurde ja auch für einige Preise nominiert.