Frauenleserin Rezension

“Der Report der Magd” von Margaret Atwood

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Margaret Atwood im Allgemeinen und “Der Report der Magd” im Speziellen erleben zur Zeit einen richtigen Hype. 2017 wurde der Roman, der bereits 1987 erstmals in Deutschland erschien, erfolgreich als Fernsehen-Serie verfilmt. Im gleichen Jahr erhielt Atwood zudem den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Ich habe einen recht ambivalenten Eindruck von “Der Report der Magd”.

“In ihrem 1985 (dt. 1987) erschienenen dystopischen Roman „Der Report der Magd“ beschreibt sie in der Tradition George Orwells eine totalitäre Ge­sellschaft, in der Frauen als Gebärmaschinen benutzt und unterdrückt werden.” – aus der Pressemeldung “Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Margaret Atwood“

Margaret Atwood widmet sich in “Der Report der Magd” gleich mehreren frauenpolitischen Themen. Sie zeigt zum einen, wie Religion missbraucht wird, um ein totalitäres Patriarchat zu installieren und ideologisch zu untermauern. Dass es im Falle von “Der Report der Magd” hierzu zur Abwechslung einmal die Bibel und nicht der Islam benutzt wird, macht diesen Aspekt des Romans umso interessanter und aussagekräftiger. Hierdurch macht Atwood klar, dass grundsätzlich jede Religion frauenfeindliche Tendenzen besitzt, die dazu verwendet werden können, um die Unterdrückung der Frau als Gott gegeben zu legitimieren. Durch den Bezug auf meine eigene Religion war mir der Roman um einiges näher als jüngere dystopische Romane, in denen eine islamisierte Gesellschaft beschrieben wird.

Gleichzeitig greift der “Der Report der Magd” das Thema der körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung von Frauen auf. In der von Atwood beschriebenen Gesellschaft ergibt sich die Stellung und der “Wert” einer Frau ausschließlich aus ihrer Fruchtbarkeit und ihrer Häuslichkeit. Obwohl der Anteil der zeugungsfähigen Menschen im Roman nach einer nuklearen Katastrophe dramatisch gesunken ist, sind es gerade die wenigen verbliebenen gebärfähigen Frauen, die praktisch rechtlos leben und als fast schon entmenschlichte Gebärmaschinen gesehen werden. Sie werden von einem Haushalt zum nächsten weitergereicht, um dem jeweiligen Paar als Leihmutter zu dienen. Da auch die Ich-Erzählerin zu dieser Frauengruppe zählt, spielt ebenjener Aspekt eine zentrale Bedeutung in “Der Report der Magd”.  Damit hat der Roman auch heute, mehr als 30 Jahre nachdem er geschrieben wurde, noch immer große Aktualität, wie beispielsweise die Debatte um die Abschaffung des § 219a StGB zeigt.

Dass die Zeugung in “Der Report der Magd” ausschließlich auf natürlichem Weg, spricht Geschlechtsverkehr mit dem Herrn des Hauses, stattfindet, fand ich mehr als irritierend. Immer wieder stellte ich mir die Frage, weshalb man der Geburtenrate nicht einfach mit künstlicher Befruchtung bzw. Gentechnik auf die Sprünge half. Dieser Frage stellt sich Atwood leider aber erst ganz am Ende ihres Romans. Nach dem eigentlichen “Report der Magd” bildet der Auszug aus einer fiktiven Rede, die ein Historiker hierüber auf einem wissenschaftlichen Kongress hielt, eine zweiten, deutlich kürzeren Teil des Romans. Hierin wird das zuvor gelesene als Tagebuch beschrieben und vieles, was darin nur äußerst vage bleibt, erläutert und aufgeklärt. Atwoods Absicht war es sicher, dem eigentlichen Report zu größerer Authentizität zu verhelfen. Eine Tagebuchschreiberin würde sicher Gegebenheiten und Hintergründe nicht besonders erläutern. Dennoch hätte ich mir beim Lesen an einigen Stellen sehr viel leichter getan, wenn ich die Informationen, die erst in der Kongressrede nachträglich gegeben werden, bereits früher gehabt hätte.

Zusätzlich erschwerte mir der Umstand, dass erst im letzten Drittel von “Der Report der Magd” eine Handlung im engeren Sinne zu erkennen ist, die Lektüre. Atwood verwendet sehr viel Zeit darauf, dem Roman seine beklemmende, triste Stimmung zu geben. Dies gelingt ihr zwar so meisterhaft, dass es für die Leserin beinahe erfahrbar wird. Auch die verschiedenen Pfeiler, auf denen die von Atwood anhand derzeitiger Strömungen entwickelte Gesellschaft beruht, werden eindrucksvoll dargestellt. Eine interessante und mitreißende Geschichte entspinnt sich dabei aber leider nicht. Zwar gibt es zahlreiche Rückblenden, in denen sich die Erzählerin an ihr früheres Leben vor der nuklearen Katastrophe und die Zeit kurz danach erinnert, dennoch strapazierte Atwood meine Geduld beinah bis zum Äußersten. Mehr als einmal war ich kurz davor, “Der Report des Magd” abzubrechen.

Fazit

In der “Report der Magd” beschreibt Margaret Atwood auf sehr authentische Weise eine patriarchale Gesellschaft in einem totalitären System. Damit leistet sie eine wichtigen und klugen Beitrag zu gleich mehreren frauenpolitischen Themen. Auch nach mehr als 30 Jahren hat der Roman diesbezüglich nichts an seiner Aktualität verloren. Leider verwendet Atwood entschieden zu viel Zeit darauf, dem Roman seine beklemmende Atmosphäre und triste Grundstimmung zu verleihen und die Gesellschaft in ihrem Einzelheiten nach und nach darzustellen. So kriecht die Handlung über Dreiviertel des Romans leider nur dahin.

♥♥ lesbar

Der Report der Magd • Margaret Atwood (Helga Pietsch) • Berlin Verlag • gebunden • 411 Seiten • ISBN: 3827013844 • 25,-€

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5 Kommentare

  1. Vielen Dank für diese Rezension! Ich bin jetzt fast erleichtert, denn ich habe The Handmaid’s Tail vor vielen Monaten als Audiobook begonnen, sehr bald aber abgedreht, weil außer beklemmender Stimmung nichts für mich drinnen war. Seither plagt mich irgendwie das Gefühl, etwas versäumt zu haben, dennoch konnte ich mich nicht wieder dazu aufraffen. Ein “Must-read”, ganz sicher, aber woher die Ausdauer nehmen?

    • Ich glaube, beim Hörbuch hätte ich auch nicht durchgehalten. Das war als Buch schon schwierig genug.

      Ich finde auch nicht, dass man jedes “Must-Read” auch wirklich gelesen haben muss. Wenn es so gar nicht mit einem spricht, sollte man es guten Gewissens abbrechen. So ging es mir z.B. mit “Ready Player one”.

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