Frauenleserin Rezension

“Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi” von Lola Shoneyin

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Mit „Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“ legt Lola Shoneyin einen humorvollen, klugen und frechen Debütroman vor. Vor allem in der Charakterzeichnung beweist sie sehr viel Feingefühl und Empathie. Es machte mir eine diebische Freude, mitanzusehen, wie die zunächst scheinbar so klaren Grenzen zwischen Täter und Opfer nach und nach verwischen.

„Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“ ist gleichzeitig eine Analyse der Funktionsweisen einer polygamen Vernunftsehe und eine gute Einführung in die nigerianische Gesellschaft.

Für mich ist der Roman ein echter Geheimtipp. Ich gebe eine klare Leseempfehlung.

Bewertung:  ♥♥♥♥♥ Buchtipp!

 Worum geht es?

Bolanle wird die vierte Ehefrau des wesentlich älteren Baba Segi. Seine anderen Frauen beäugen die neue Konkurrentin nicht nur deshalb mit Argwohn, weil sie jung und gebildet ist, sondern auch, weil sie ein bis dahin lang gehütetes Geheimnis der drei Frauen aufdecken droht. Der ohnehin sehr fragile Familienfrieden ist damit ernsthaft gefährdet. Mit hinterhältiger Arglist versuchen sie dies zu verhindern.

 Warum habe ich es gelesen?

Auf „Das geheime Leben der Frauen des Baba Segi“ wurde ich bei Litprom aufmerksam. Dort stand es eine Weile auf Platz 1 der Weltempfänger Bestenliste. Zudem wurde es für den LiBeraturpreis 2015 nominiert.

Ich lerne sehr gerne fremde Länder und Kulturen kennen. Gerade die afrikanische Literatur findet hier viel zu selten Beachtung. Einen Roman über die Praxis der Polygamie im heutigen Nigeria stellte ich mir sehr spannend vor.

Wie fand ich den Anfang?

Am Anfang des Romans steht ein Kapitel, das aus Bolanles Sicht erzählt wird. Sie erzählt von ihren Gründen für eine polygame Ehe, dem Widerstand von Familie und Freunden und der Feindseligkeit, den ihr die anderen drei Frauen entgegen bringen. Danach folgen einige Kapitel, die in der dritten Person erzählt werden.

Schnell dringt man als Leser vollkommen in die familiäre Welt und die nigerianischen Ehebräuche ein. So entsteht zwar ein sehr lebendiger Erzählfluss; Lola Shoneyin setzt hier aber einiges an Hintergrundwissen voraus. So war ich am Anfang oftmals etwas verwirrt und konnte nicht alles zur Gänze nachvollziehen. Hiervon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Vieles wird später noch einmal aufgegriffen und genauer erläutert.

Wie fand ich die Sprache?

Lola Shoneyin hat einen sehr lebendigen Erzählstil mit viel wörtlicher Rede. In den Kapiteln, die aus der Sicht einer der drei Frauen geschrieben sind, passt sie Ausdrucksweise und Wortwahl an den jeweiligen Charakter an. Das Ergebnis ist eine sehr kurzweilige, höchst unterhaltsame Erzählung.

Zur deutschen Übersetzung ist anzumerken, dass einige nigerianische Begriffe nicht übersetzt wurden. Dies betrifft hauptsächlich traditionelle Speisen und Bekleidung. Um was es sich handelt, lässt sich zwar aus dem jeweiligen Kontext erschließen. Ich hätte mir jedoch trotzdem einen Annex oder ein paar Fußnoten gewünscht, in der diese Dinge für den interessierten Leser noch einmal erläutert werden. Gleiches gilt auch über einige Bräuche und Gepflogenheiten.

Wie fand ich den Roman insgesamt?

Mit „Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“ legt Lola Shoneyin einen humorvollen, klugen und frechen Debütroman vor.
Vor allem in der Charakterzeichnung beweist sie sehr viel Feingefühl und Empathie. Lola Shoneyin beschreibt ihre Figuren mit sehr viel Liebe und Sympathie. Es sind komplexe Individuen mit guten wie schlechten Eigenschaften jenseits jeder Stereotypie.

Durch die eingestreuten Kapitel, die abwechselnd aus der Sicht eines der fünf Ehepartner geschrieben sind, lernt der Leser im Laufe des Romans nicht nur die unterschiedlichen Beweggründe kennen, die zum Entschluss zu einer polygamen Ehe führten. Das nach außen so harmonische Bild des Ehelebens bekommt nach und nach Riss. Man erkennt, dass hier im Grunde jede der vier Frauen rein egoistische Ziele verfolgt.
Fast möchte man Mitleid mit Baba Segi haben, der sich zwar selbst als Patriarch sieht, aber im Grunde von seinen Frauen gehörig an der Nase herumgeführt und ausgenutzt wird. In erster Linie machte es mir aber eine diebische Freude, mitanzusehen, wie die zunächst scheinbar so klaren Grenzen zwischen Täter und Opfer nach und nach verwischen, bis schließlich fast nichts mehr von ihnen übrig bleibt.

„Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“ ist jedoch mehr als eine Analyse der Funktionsweisen einer polygamen Vernunftsehe. Der Roman gibt auch einen guten Einblick in die nigerianische Gesellschaft. Die starke Außenseiterrolle einer unverheirateten, kinderlosen Frau wird ebenso deutlich wie das hohe Ansehen eines Mann mit vielen Kindern und Frauen. Lola Shoneyin verpackt ihre Kritik an diesem Gesellschaftsbild auf höchst unterhaltsame, humorvolle Weise. So ist ein kluger und dichter Roman entstanden, der sich unterhaltsam liest. Für mich ist „Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi“ ein echter Geheimtipp und eine klare Leseempfehlung. Ich werde bestimmt noch einmal nach dem Roman greifen und bin sicher, beim zweiten Lesen noch auf ganz neue Facetten zu stoßen.


Titel: Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi ♦ Autor: Lola Shoneyin ♦ Übersetzung: Susann Urban ♦ Ausgabe: Hardcover ♦ erschienen bei: Büchergilde Gutenberg ♦ ISBN: 978-3-7632-6711-8 ♦ herausgegeben von: Ilja Trojanow ♦ 288 Seiten ♦ Preis: 19,95 €


 

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