Heidi Hetzer ist 77 Jahre alt, ehemalige Rallyefahrerin und erfolgreiche Geschäftsfrau, als sie beschließt, sich einen Traum zu erfüllen. Sie verkauft ihr Berliner Autohaus und kauft einen Hudson Great Eight von 1930, um mit ihm einmal um die Welt zu fahren. Ihr Vorbild ist Clärenore Stinnes, die sich mit gerade einmal 26 Jahren ebenfalls dazu aufmachte, die Welt mit einem Auto umrundete. Es war die erste Fahrt dieser Art und sie dauerte knapp zwei Jahre (von 1927 bis 1929).
Es war Heidi Hetzers Vater, der ihr schon als Kind die Geschichte dieser wagemutigen Frau erzählte. Er war es auch, der ihre Leidenschaft für Autos und den Motorsport weckte, die Heidi Hetzers gesamte Leben prägten. Bereits mit 16 Jahren fährt sie illegale Motorradrennen und unternimmt unerlaubt Spritztouren im Auto der Eltern. Dass sie keinen Führerschein, stört sie wenig. Später macht sie eine Ausbildung zur KfZ-Mechanikerin. Was selbst heute noch selten ist, war in den 50er Jahren ein echtes Unding. Nicht einmal ihre eigene Mutter war mit dieser Entscheidung einverstanden. Später zog sie eine Autovermietung auf und ging für ein Austauschjahr in die USA, um den dortigen Fahrzeughandel kennenzulernen, bevor sie mit Anfang 30 das Autohaus ihres Vaters übernahm. Dieses baute sie zu einem der größten Berlins aus. Nebenher fuhr Rallyes.
In ihrem Buch “Ungebremst leben. Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr” erzählt Heidi Hetzer in erster Linie von ihrer abenteuerlichen Weltumrundung. Mit ihrem Oldtimer “Hudo” schraubt sie sich, wie sie es selbst nur halb scherzhaft ausdrückt, einmal um die Welt. Denn tatsächlich gab es während ihrer Reise kaum ein Land, in dem sie keine Werkstatt aufsuchen musste. Die Macken und Wehwehchen des Wagens werden zur größten Herausforderung ihrer Weltreise. Aber auch sie selbst erkrankt schließlich schwer. Dennoch hält sie an ihrer Planung fest und beendet die Erdumrundung – wenn auch mit etwas Verspätung.
Die ganze Schrauberei beeinflusst auch den Inhalt des Buchs. Die eigentlichen Reiseberichte waren für meinen Geschmack etwas knapp gehalten. Oft stand “Hudo” mit seinen Macken und Pannen im Mittelpunkt.
Auch die (auto-)biografischen Teile kamen mir leider etwas zu kurz. Der Titel legt zwar bereits nahe, dass in dem Buch in erster Linie um ihre Weltreise geht. Da ich es aber im Biografienregal der Stadtbücherei entdeckte, versprach ich mir von dem Buch ein bisschen mehr aus Heidi Hetzers Lebensgeschichte. Ihre Reise um Welt hatte ich nämlich schon “live” über die Berichterstattung im Fernsehen verfolgt.
Dafür gelingt es Marc Bielefeld sehr gut, Heidi Hetzers Ton zu treffen. Sprachlich wirkt das Buch nicht aufgesetzt und sehr authentisch. Man kann sich wirklich vorstellen, dass Heidi Hetzer, die ich in einigen Interviews erlebte, genau so erzählt von den Geschehnissen hätte.
Auch die vielen Reise- und Privatfotos im Mittelteil des Buchs haben mir gut gefallen. Besonders schön fand ich die kleine Faltkarte, auf der die Reiseroute eingezeichnet war.
♥♥♥ lesenswert
Wer sich für weibliche Lebensentwürfe jenseits der Norm und des Alltags interessiert und Spaß am große Traum des Abenteuers Freiheit hat, ist bei “Ungebremst leben. Wie ich mit 77 Jahren die Freiheit suchte und einfach losfuhr” von Heidi Hetzer (Marc Bielefeld) gut aufgehoben. Auch wenn es sprachlich und erzählerisch nichts besonderes ist, ist es die authentische Erzählung über die spannende Reise einer faszinierenden, lebenslustigen Frauen, die ebenso beeindruckt wie inspiriert.
Wer noch mehr über Frauen in der Automobilgeschichte erfahren möchte, kann >>hier<< weiterlesen.
Clärenore Stinnes´ eigenes Buch “Im Auto durch Welten. Die erste Autofahrt einer Frau um die Welt” kann ich übrigens genauso empfehlen. Es ist allerdings nur noch antiquarisch erhältlich. (Ich hatte Glück und habe es bei Rebuy gefunden.)
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