Frauenleserin Rezension

“Der gute Sohn” von Jeong Yu-Jeong

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Wenn eine Autorin als „Südkoreas Antwort auf Stephen King“ angekündigt wird, weckt das natürlich sofort mein Interesse. Gleichzeitig liegt die Messlatte damit aber sehr hoch. Unter meine Neugier auf Jeong Yu-Jeongs neustes Buch mischte sich daher auch ein wenig Skepsis.

Auf den ersten Seiten wurden meine Bedenken dann auch noch prompt bestätigt. Fast schon quälend kleinteilig beschreibt Yu-Jeong die Ausgangsszene. Die aber ist so rätselhaft, dass ich mich gerne hierauf einließ. 

Der Roman beginnt damit, dass Ich-Erzähler Yu-Jin mit einem Filmriss aufwacht. Zu seinem Entsetzen ist er vollkommen blutverschmiert, aber es kommt noch viel schlimmer: Im Wohnzimmer findet er seine Mutter mit aufgeschnittener Kehle in einer riesigen Blutlache liegen.

Im Folgenden schickt Yu-Jeong ihre Leser*innen auf Spurensuche. Schnell entwickelt sich eine beängstigende Eigendynamik. Was man dabei über Yu-Jin erfährt, ist wesentlich mehr und noch sehr viel grausiger als die Ereignisse des vorherigen Abends. 

Yu-Jeong lässt ihre Leser*innen in die tiefen Abgründe der menschlichen Seele blicken. Einen besonderen Nervenkitzel erhält “Der gute Sohn” dadurch, dass er nicht einfach nur grausige Dinge und Handlungen beschreibt. Yu-Jeong zeigt auch die Entwicklung, die in der Ausgangsszene des Romans ihren (vorläufigen) Höhepunkt findet.

Dies ist die wohl stärkste Parallel zu Stephen King. Dennoch unterscheiden sich die Erzählstil beider Autoren deutlich.

Stephen King schreibt komplexe Geschichten mit einer Vielzahl an ausgearbeiteten Charakteren. Neben der Haupterzählung entstehen so meist noch mehrere Nebenhandlungen, die er miteinander verwebt. Und das sogar über die einzelnen Romane und Romanreihen hinaus. Denn nicht selten haben einzelne Figuren in anderen Geschichten einen “Gastauftritt”.

“Der gute Sohn” hingegen ist sehr auf die Hauptfigur Yu-Jin konzentriert. Daneben ist nur noch Platz für drei weitere Nebenfiguren. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass es Yu-Jin selbst ist, der (in der ersten Person) erzählt. Ganz ohne jedes Beiwerk taucht man als Leser*in ganz in die Gefühls- und Gedankenwelt des Hauptprotagonisten ein. So ist es möglich, direkt in dessen dunkle Abgründe zu blicken. Gerade das aber erlebt man bei King nicht. Hier steht man dem Bösen stets gegenüber, beschaut es von außen. Yu-Jeong hingegen gewährt ihren Leser*innen einen Blick hinein.

In einem Nachwort beschreibt Yu-Jeong, wie schwer ihr genau diese Reduktion auf den Handlungskern und das feine Sezieren der Persönlichkeit Yu-Jins fiel. Ihr Anspruch sei gewesen, “diesen beim Lesen anfassen, riechen, sehen und fühlen” zu können. Was mich angeht, ist ihr dies gelungen.

Insgesamt

hat mir “Der gute Sohn” sehr gut gefallen. Meine anfängliche Skepsis verflog sehr schnell. Danach gewann die Geschichte bald an Drive und ich hatte Spaß an der “Detektivarbeit”. Die Dinge, die ich dabei entdeckte, jagten mir mehrmals Schauer über den Rücken – genau wie es bei einem Thriller sein muss.

♥♥♥♥ Buchtipp

 

Der guten Sohn – Jeong Yu-Jeong (Kyong-Hae Flügel) – Unionsverlag – Taschenbuch – 320 Seiten – ISBN: 978-3-293-00541-9 – 16,99€ 

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