Frauenleserin Rezension

„Die Nachtigall“ von Kristin Hannah

Kommentare 4

In den USA hat der Roman längst eine Millionenauflage. Seit mehr als einem Jahr ist er dort in der Bestsellerliste vertreten. Weltweit wurde er in 31 Sprachen übersetzt. Auch die Filmrechte wurden bereits verkauft. Am Montag (19.09.) erscheint „Die Nachtigall“ nun auch bei uns. Für mich war das Grund genug, um mir die Schwestern Vianne und Isabelle, die im von den Nazis besetzten Frankreich für die eigenen Werte und ums Überleben kämpfen, genauer anzusehen.

In der Liebe finden wir heraus, wer wir sein wollen; im Krieg finden wir heraus, wer wir sind. (Seite 12)

Paare, die schwere Unglücke zu bewältigen haben. Schwestern, die dunkle Familiengeheimnisse aufdecken. Einsame Frauen, die, um einem vernachlässigten Kind zu helfen, ihr eigenes Leben von Grund auf ändern. Dies sind die Themen, mit denen die 1960 geborene Kristin Hannah zur beliebten Bestsellerautorin wurde, die mittlerweile mehr als 20 Frauen- und Liebesromanen veröffentlichte. Auch wenn sich die Schriftstellerin mit ihrem neuen Buch „Die Nachtigall“ erstmal an einen historischen Stoff wagt, bleibt Kristin Hannah den großen Gefühlen und Gesten treu. Dass sie dabei bisweilen die Grenze zum Kitsch überschreitet habe ich ebenso gerne verziehen wie die auffällige Häufung der glücklichen Zufälle, welche die Handlung an manchen Stellen recht konstruiert wirken lassen. Kristin Hannah will in erster Linie unterhalten und das gelingt ihr ganz ausgezeichnet. In “Die Nachtigall” präsentiert sie eine Geschichte, die gleichermaßen spannend und bewegend ist.

Interessant und lehrreich

fand ich die französische Perspektive auf den Zweiten Weltkrieg, die mir bei dieser Thematik bislang so noch nicht unterkam. Den Schwerpunkt legt sie auf der Schilderung des französischen Alltags jenseits der Front. Positiv ist Kristin Hannah hierbei zudem anzurechnen, dass sie um eine differenzierte Darstellung bemüht ist. Angenehm auf fiel mir auch, dass die Besatzer nicht ausnahmslos als unmenschliche Monster und überzeugte Nazi dargestellt werden, wie dies gerade bei amerikanischen Autoren häufig zu finden ist.

Auch sprachlich ist „Die Nachtigall“ gelungen. Der Roman lässt sich angenehm und flüssig lesen. Zusätzlich fesselt die gute Dramaturgie der Handlung.

Lesenswert

war der Roman für mich vor allem auf Grund der beiden sehr unterschiedlichen Konzepte von Stärke und Mut, welche die beiden weiblichen Hauptcharaktere Isabelle und Vianne verkörpern.

Beider Leben gerät durch den Krieg und die deutschen Besatzer vollkommen aus den Fugen. Ihren unterschiedlichen Gemütern entsprechend reagieren beide doch sehr verschieden auf diese Bedrohung ihres Lebens und ihrer Freiheit. Die impulsive Isabelle entschließt sich zum aktiven Widerstand und tritt der Résistance bei, für die sie abgeschossene alliierte Piloten über eine geheime Route durch die Pyrenäen ins Ausland bringt. Ihre fürsorgliche Schwester Vianne hingegen ist vollauf damit beschäftigt, nach außen möglichst souverän und ruhig zu wirken und ihrer Tochter trotz Lebensmittelrationierung u. ä. ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen. Bei all den Abenteuern und Gefahren, die Isabelle bewusst auf sich nimmt, musste ich schon genau hinsehen, um die Stärke und den Mut ihrer Schwester zu entdecken, der weitaus weniger offen zu Tage tritt, mich dann jedoch genauso beeindruckte wie der von Isabelle. Aus Angst um ihre Tochter erträgt Vianne die täglichen Demütigungen und Übergriffe des bei ihr einquartierten Nazis, ohne sich zu beklagen oder zu zeigen, wie sehr es sie verletzt. Besonders beeindruckt hat sie mich, als sie trotz der Einquartierung einen jüdischen Jungen bei sich aufnimmt, den sie als Sohn einer entfernten Verwandten ausgibt.

Bewegend

sind auch die Gefühls- und Gedankenwelten der beiden Frauen, bei deren Beschreibung Kristin Hannah viel Einfühlungsvermögen beweist. Neben der dramatischen äußeren Handlung fügen diese Innenansichten dem Roman immer wieder weitere spannende Aspekte hinzu. Der Leser erfährt so nicht nur von den inneren Konflikten, welche die Protagonistinnen mit sich selbst austragen. Durch die vollkommen gegensätzlichen Haltungen geraten die beiden Schwestern auch untereinander immer wieder aneinander. Auch wenn mir Isabelle über weite Strecken des Buchs näher war als ihre Schwester, konnte ich dabei auch Vianne gut verstehen. Schließlich wird auch das schwierige Verhältnis zum Vater, der beide Töchter nach dem frühen Tod der Mutter weggab, beschrieben. Auf diese Weise fügt Kristin Hannah ihren beiden Heldinnen eine Vergangenheit hinzu, was die Figuren noch lebendiger werden lässt.

9783352008856Bewertung: ♥♥♥♥ Buchtipp

Titel: Die Nachtigall ♦ Autorin: Kristin Hannah ♦ Übersetzung: Karolina Fell ♦ Format: eBook ♦ Umfang: 608 Seiten (Printausgabe) ♦ Verlag: Aufbau ♦ ISBN: 9783841211262 ♦ Preis: 14,99€

Unterm Strich

ließ mich „Die Nachtigall“ trotz meiner eingangs genannten Kritikpunkte schnell nicht mehr los. Gespannt habe ich mit beiden Schwestern mitgefiebert und gelitten. Kristin Hannah erzählt eine fesselnde Geschichte voller Dramatik, weiblichem Heldenmut und Gefühl. „Die Nachtigall“ ist spannende Unterhaltungsliteratur und zusammen mit einer guten Tasse grünem Tee die perfekte Begleitung, um es sich während der kommenden verregneten Herbstwochenenden auf der heimischen Couch gemütlich zu machen.


Nachtigall GewinnspielDas Gewinnspiel ist bereits beendet. Ich danke für die rege Teilnahme. Ganz 19 Personen wollten das Buch gewinnen. Leider hatte ich jedoch nur ein Exemplar, so dass das Los entscheiden musste.

Ich wünsche der Gewinnerin ganz viel Spaß mit dem Buch!

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4 Kommentare

  1. Liebe Kerstin!
    Immer wieder beeindrucken mich deine ausführlichen Rezensionen. Das Thema “Starke Frauen” interessiert mich besonders.
    Deine Meinung zu “Die Nachtigall” hat mich angeregt, das Buch bald zu lesen. Nun wollte ich dir auch einmal persönlich Rückmeldung geben.
    Deine Leserin
    Monika Schoppenhorst, Berlin

  2. Wunderbare Rezension!
    Eigentlich liest man ja bei Twitter fast nur noch tolle Kommentare zu dem Buch. Und um ehrlich zu sein, hat mich das sogar wieder etwas abgeschreckt. Deine Meinung klingt aber echt sehr reizvoll. Vielleicht weil du die Handlungsabläufe auch etwas kritisch betrachtest.

    Liebe Grüße
    Rebecca

    • Kerstin Scheuer sagt am 18. September 2016

      Ich weiß, was Du meinst. In der Regel geht es mir genauso. Wenn ein Buch zu sehr gehupt wird, habe ich keine Lust mehr, es zu lesen. Eigentlich kann man dann nur noch enttäuscht werden, weil die Erwartungen so unglaublich hoch sind. Ich bin sehr froh, dass ich “Die Nachtigall” schon Juli lesen durfte.

  3. Hey!
    Ich habe zu diesem Buch inzwischen so viele begeisterte Meinungen gelesen, dass ich echt neugierig bin. Von Kristin Hannah habe ich bereits Bücher gelesen, so dass ich weiß, dass ich ihren Schreibstil grundsätzlich mag. Ich finde aber, dass sich der Klappentext dich deutlich von ihren sonstigen Büchern abhebt.
    LG
    Yvonne

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