Frauenleserin Rezension

“Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau” von Anne Berest

Kommentare 4

Spätestens seit ihrem Bestseller-Roman How to be a Parisian – Wherever you are. Liebe, Stil & Lässigkeit à la Française gilt die französische Theaterregisseurin und Autorin Anne Berest als eine der aufregendsten Frauen der französischen Kulturszene. Dennoch gingen ihre Bücher an mir bislang eher spurlos vorbei. Ihr neuster Roman Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau machte mich nun aber doch neugierig. Der Titel klang für mich nach einer klugen und humorvollen Auseinandersetzung mit den heute geltenden weiblichen Rollenbilder. Leider konnte mich die Umsetzung dann aber doch nicht überzeugen.

Worum geht es?

Für Emilienne ist ihre Nachbarin Julie ein fast übernatürliches weibliches Wesen. Sie ist nicht nur beruflich erfolgreich sondern außerdem auch eine fürsorgliche Mutter und ideale Ehefrau. Zudem ist sie sportlich, ehrenamtlich engagiert, stets perfekt gestylt, bester Laune und bestens organisiert. Dies alles sind Eigenschaften, von denen die leicht chaotische Berufsfotografin Emilienne nur träumen kann. Dass der Schein trügt, wird Emilienne erst klar, als Julie nach einem Nervenzusammenbruch in eine Klinik eingeliefert wird. Dieses Ereignis nimmt Emilienne zum Anlass, um sich für eine Fotoserie auf die Suche nach der perfekten Frau zu machen.

Wie hat es mir gefallen?

Natürlich ist die Idee hinter Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau so einfach wie durchschaubar. Anne Berest lässt ihre Protagonistin einen kurzen Einblick in eine Vielzahl unterschiedlicher weiblicher Leben nehmen und dabei ein ums andere Mal feststellen, dass sie alle ihre kleinen Fehler oder auch größeren Macken haben. Dieses Grundmuster des Romans zeigt sich bereits in den einzelnen Kapitelüberschriften, die alle samt nach weiblichen Vornamen benannt sind. Dennoch, so dachte ich mir, könnte eine solche Auseinandersetzung mit den weiblichen Rollenbildern – sofern klug gemacht – durchaus humorvoll und unterhaltsam werden.

Leider wählt jedoch Berest mit der chaotischen Emilienne eine Erzählperspektive, der ich nicht immer gut folgen konnte. So unorganisiert wie die Protagonistin selbst ist teilweise auch der Handlungsstrang. Vor allem in den ersten Kapiteln sind so viele Gedanken- und Zeitsprüngen enthalten, dass mir nicht immer klar war, worauf die Erzählerin hinaus wollte. Glücklicherweise bessert sich das genau in dem Moment, in dem die Handlung mit Emiliennes Suche so richtig kommt.

img_1508Dennoch kam ich auch dann nicht richtig ins Buch. Die Geschwindigkeit, in der Berest die verschiedenen Frauen und Rollenvorbilder vorstellt, nur um sie dann sofort auseinanderzunehmen, ließ mir kaum Zeit, die an sich sehr klugen und feinsinnigen Ideen und Beobachtungen richtig zu verarbeiten. Ich fühlte mich beim Lesen reichlich gehetzt. Vieles wird lediglich kurz angerissen, um dann sofort wieder fallengelassen zu werden und Emilienne zur nächsten “perfekten Frau” zu jagen. Fast erschien es mir so, als wolle Berest durch schieres erzählerisches Tempo darüber hinwegtäuschen, dass die einzelnen Frauenkurzporträts nur durch eine magere bis kaum vorhandene Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Leider bleibt dem Leser so aber auch kaum Zeit, um die sehr unterschiedlichen und vielschichtigen Ideen, die in Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau vorgestellt werden, zu durchdenken. Nur sehr wenig von dem, was ich auf den knapp 240 Printseiten gelesen habe, blieb mir so auch im Gedächtnis.

Schade fand ich auch, dass der Ansatz des Romans nicht stringent durcherzählt wird. Im Grunde endet Emiliennes bewusste Suche nach der perfekten Frau nämlich bereits nach dem ersten Besuch. Ab da sind es bloße Zufallsbekanntschaften, von denen erzählt wird. Irgendwo in der Mitte des Buchs ändert Emilienne, nachdem sie sich in eine der Frauen verliebt hat, auch noch das Ziel ihrer Suche und die Handlung wird vollkommen unerwartet zum Liebesroman. Auch die Möglichkeit durch die Absurdität der Situationen, in die Emilienne gerät, etwas Witz und Leichtigkeit in die Erzählung zu bringen, bleibt weitestgehend ungenutzt. So war die geschmackvolle, unprovokative und natürliche Art, auf welche die Liebe zwischen den beiden Frauen vollkommen schnörkellos und ohne Effekthascherei beschrieben wird, für mich im Grunde das einzige Highlight dieses Buchs.

Bewertung: ♥♥ lesbar

Unterm Strich ließ sich Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau zwar zügig lesen, ließ mich aber doch etwas ratlos zurück. Durch das hohe erzählerische Tempo bleiben die einzelnen Frauen sowie die von ihnen verkörperten Rollenbilder und Ideen insgesamt recht blass und nur wenig eindrucksvoll. Auch blieb unklar, was das Buch nun eigentlich darstellen soll: Satire, Gesellschaftskritik oder Liebesroman? Möglich gewesen wären alle drei. Aber Anne Berest fehlte offensichtlich der Mut, um aus nur einen dieser Aspekte in allen Konsequenzen und Facetten zu Ende zu erzählen. So werden zwar alle drei Ebenen angerissen, bleiben aber genau wie die vielschichtigen weiblichen Vorbilder, die der Roman präsentiert, irgendwo nur knapp unter der Oberfläche stecken.

Titel: Emilienne oder die Suche nach der perfekten Frau ♦ Autorin: Anne Berest ♦ Übersetzung: Gaby Wurster ♦ Format: eBook (ePub) ♦ Umfang: 240 Printseiten ♦ Verlag: Knaus Verlag ♦ ISBN: 978-3-641-19437-6 ♦ Preis: 15,99€

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4 Kommentare

  1. Schade, dass das Buch nicht halten konnte, was es auf den ersten Blick verspricht. Der Titel und auch der Inhalt klingen auf den ersten Blick durchaus interessant und hätten eine kluge, charmante und unterhaltsame “Genderstudie” werden können. Ich habe kein Buch von ihr gelesen, aber leider auch von ihrem ersten Buch How to be Parisian aus meinem Freundeskreis nur schlechtes gehört.
    Liebe Grüße,
    Cora

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